DIE VERSUNKENE STADT

Co-Autor|Kamera|Produzent

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Kann ein Dorf ´wegdimensioniert´ werden? Die Vernichtung eines Ortes im Gebiet ´Inden´ spricht gegen die historische Erfahrung der urbanen Expansion. Umso wichtiger ist das dokumentarische Unterfangen, die verlorene Heimat zu erhalten.
Wider der Fatalität des Verschwindens ist ´die versunkene Stadt´ eine Archäologie der Erinnerung. Die Spurensuche vor Ort provoziert in Interviews und im Original-Abriss-Filmmaterial der 80er Jahre die Wahrhaftigkeit des Gewesenen. Zeitzeugen erzählen, wo einst wer wohnte und wo die Kirche stand. Sie sind auf der Suche nach ihrem Ursprung. Weder die Aussagen noch das Authentizitätsmaterial sind trügerisch, vielmehr ist die Destruktion selbst kaum vorstellbar. Doch sie geschah: Zwischen Lehm, Unkraut und Acker füllen die Zeugen den ´Nicht-Ort´ mit Geschichten, mit Bildern, Gebäuden und Leben. Straßenzüge sind erahnbar und beleben sich, Hauseingänge, Garagen und Mauerreste werden lokalisiert. Proportionen und Dimensionen geben virtuell Halt. Noch ist Orientierung möglich, doch Zeitzeugen sind sterblich und Erinnerung vergänglich. Der Ort droht seine Geschichte zu vergessen.
Und „der Pflug des Bauers legte eine Kirchturmspitze frei …”: Der Mythos um die ´versunkene Stadt Gression´ erzählt, daß vor Ort schon mal ein Dorf gestanden hatte. Die jüngere Vergangenheit des Abrisses sieht sich in diesen Mythos eingedoppelt – zumal das unsichtbare, verschwundene Mühe hat, intellektuell wiederaufzuerstehen. Die Dokumentation thematisiert umso mehr die Schwierigkeit, Gewesenes zu halten, als die Drohung gilt, dass das Areal neutral und geschichtlich irrelevant werden wird. Nie wird was gewesen sein. Die Bilder und Dokumente werden mythische Zeugnisse, sie sind ´short cuts´ im Puzzle der Vergänglichkeit. Die Koordinaten der Erinnerung lösen sich auf, und die Authentizität, die der Orientierung dient, wird korrupt.
Nur der Boden wird wissen, was wirklich geschah.

Dokumentarfilm von Jan Rehwinkel
D. 2003, 38 Minuten